#MerzMail zum Thema Energiepolitik
Der Deutsche Bundestag geht an diesem Wochenende in die parlamentarische Sommerpause. Ob dies wirklich eine längere Sitzungspause sein wird, das ist mehr als ungewiss. Schon in der zweiten Juli-Hälfte könnte es eine weitere Verschärfung der Energieversorgungslage geben, und auch die Daten aus der Wirtschaft werden von Woche zu Woche beunruhigender.
Nach der Verabschiedung der Energiegesetze in dieser Woche wissen wir allerdings, dass die Bundesregierung auf eine ganze Reihe von energiepolitischen Optionen verzichtet:
Der Bundeskanzler hat während des letzten Europäischen Rates der Staats- und Regierungschefs der EU ein Angebot des italienischen Ministerpräsidenten abgelehnt, frühzeitig nach gemeinsamen europäischen Lösungen für die Zeit eines möglichen Versorgungsengpasses zu suchen. Damit droht eine Auseinandersetzung in der EU um den Zugang zu den Energiereserven, die der Auseinandersetzung um die Aufnahme der Flüchtlinge vor sechs Jahren in nichts nachstehen dürfte. Die größten Gasreserven für Süddeutschland zum Beispiel liegen in einem Gasspeicher auf österreichischem Boden. Allein ein möglicher Streit um dieses Gas trägt das Potential eines größeren Konflikts mit unserem Nachbarn Österreich in sich. Der ganzen EU droht eine Schwächung genau in dem Augenblick, in dem sie ihre Stärke am dringendsten beweisen müsste.
Die Bundesregierung hält fest an der Stilllegung der letzten drei noch laufenden Kernkraftwerke in Deutschland. Damit muss die Stromversorgung von 10 Millionen Haushalten auf Kraftwerke mit fossiler Energie, auf Kohle oder Gas, umgestellt werden. Anti-AKW ist für die Ampel offenbar wichtiger als die drohende zusätzliche CO2-Belastung. Wenn Frankreich mehr als 50 Kernkraftwerke laufen lässt, warum kann Deutschland nicht wenigstens drei am Laufen halten?
Auch Ersatz für russisches Gas ist bis heute nicht in Sicht. Es gibt keine neuen Lieferverträge, noch nicht einmal aus Katar, die Reise des Ministers für Wirtschaft und Klima dorthin bleibt ohne Ergebnis.
Biomasse bleibt gedeckelt und wird kaum mehr als gegenwärtig zur Energieversorgung herangezogen. Dabei zeigt die Entsorgungsbranche auf, wie wir kurzfristig aus entsprechenden Anlagen zusätzliche Energie gewinnen könnten.
Nur bei der Wasserkraft war die Koalition begrenzt einsichtsfähig und hat zum Abschluss ihres hektischen Gesetzgebungsverfahrens die Wasserkraft wenigstens nicht völlig aus der politischen und finanziellen Unterstützung herausgeworfen.
Der Ausbau der Übertragungsnetze bleibt der Flaschenhals der Energieversorgung aus den Erneuerbaren, die Genehmigungsverfahren dauern unverändert sehr lange. Die Ausbauziele der Bundesregierung für Wind- und Sonnenenergie sind allein schon wegen der fehlenden Netze unrealistisch.
Neben den Einschränkungen in der Sache hat sich die Bundesregierung entschlossen, die Opposition an den energiepolitischen Entscheidungen nur auf die allerletzte Minute zu beteiligen. Die zuständigen Parlamentsausschüsse haben nur wenige Minuten vor Sitzungsbeginn und wenige Stunden vor Fristablauf mehr als 300 Seiten Änderungsanträge zur sofortigen Beschlussfassung vorgelegt bekommen. Ein geordnetes Gesetzgebungsverfahren ist so nicht mehr möglich, handwerkliche Fehler und Widersprüche in den Gesetzestexten sind unvermeidlich. Damit ist klar: Die Bundesregierung trägt ganz allein die Verantwortung für die Energieversorgung in Deutschland, sie trägt ab jetzt auch die alleinige Verantwortung für alle Versorgungslücken und die Folgen für private Haushalte und Unternehmen. Sie hat ein weiteres Mal unsere ausgestreckte Hand zur Mitwirkung und rechtzeitigen Beratung der immer schwieriger werdenden Lage ausgeschlagen. Gemeinsame und bessere Lösungen wären möglich gewesen.
Hoffen wir wenigstens, dass die Versorgung mit Öl und Gas im Verlauf des Sommers nicht noch schwieriger wird. Die Energiepolitik der Bundesregierung lebt ab dieser Woche eben leider nur noch vom Prinzip Hoffnung.
Mit besten Grüßen für ein trotzdem gutes Wochenende,
Ihr Friedrich Merz