Senioren Union Kreis Olpe

Polizeibeamtin Bettina Leyens hielt spannenden Vortrag über ihre Einsätze in Afghanistan im Rahmen der deutschen Beteiligung an einem Schulungsprogramm für dortige Polizeikräfte

Zu dieser Auftaktveranstaltung der Senioren Union Lennestadt war auch ein Teil der Senioren Union Schmallenberg der Einladung gefolgt. Die vielen Zuhörer im Hotel Schweinsberg in Langenei hörten einen lebendigen Bericht der Polizeibeamtin, der durch Fotos und weiteres Anschauungsmaterial bereichert war. Frau Leyens betonte, dass sie diesen Vortrag aus ihrer persönlichen Sicht und Erlebnisweise schildern wolle. Zunächst musste sie sich für eine solche Tätigkeit bewerben und dann an Vorbereitungslehrgängen teilnehmen. Hierbei wurde sie in die Gegebenheiten, Land, Leute und Ziele Ihres Einsatzes eingewiesen.
 
 
 

Die Zielsetzung des deutschen Engagements zitierte Frau Leyens wie folgt:

Deutschland unterstützt die afghanische Regierung beim Aufbau einer zivilen Polizei, die rechtsstaatlichen Prinzipien folgt und das Vertrauen der Bürger genießt. Gemeinsames Ziel ist der Aufbau einer leistungsfähigen afghanischen Polizei, die der afghanische Staat selbst unterhalten kann. Hierbei haben die in Afghanistan eingesetzten deutschen Polizisten nur ein beratendes, jedoch kein exekutives Mandat. Bis Ende 2014 soll die Sicherheitsverantwortung vollständig in afghanische Hände übergeben werden („Transition“). Spätestens dann muss die afghanische Polizei eigenständig die innere Sicherheit gewährleisten können. Ebenso muss sie bis dahin in die Lage versetzt werden, die Ausbildung ihres Nachwuchses selbst zu übernehmen, um so ihre langfristige Handlungsfähigkeit sicherzustellen. Einerseits erfordert dies die Ausbildung einer ausreichenden Anzahl von zivilen Sicherheitskräften im Land. Bis Oktober 2012 soll hierzu die Gesamtstärke der afghanischen Polizei auf 157.000 Polizisten erhöht werden. Im Februar 2012waren etwa 140.000 Polizisten einsatzbereit.

Gleichzeitig müssen tragfähige Strukturen gebildet werden, die es Afghanistan auch nach Abschluss der Transition ermöglichen, sowohl die Ausbildung eigenständig fortzuführen und weiter zu entwickeln als auch die afghanische Polizei selbst zu unterhalten. Nur so kann das durch die Aufstockung der Polizeikräfte erreichte Sicherheitsniveau erhalten werden.

Zusammengefasst hieß das für sie und ihre Kollegen: Bau von Trainingszentren und Akademien, Ausbildung und Mentoring afghanischer Polizeitrainer, Mentoring der nationalen und lokalen Ausbildungsleitung, Ausarbeitung landesweit einheitlicher Lehrpläne, Ausbildung des technischen Personals der Trainingseinrichtungen, Verbesserung der Infrastruktur der afghanischen Polizei (Polizeihauptquartiere, Polizeiwachen und Kontrollstationen) Beiträge zu angemessener und transparenter Bezahlung für afghanische Polizisten, Programme zur Grundbildung und Alphabetisierung für afghanische Polizisten.

Aufgaben über Aufgaben, die mit normalen westlichen Vorstellungen nicht einfach zu leisten waren. So gab Frau Leyens auch Einblicke in Land, Kultur und sonstige Gegebenheiten wie die Situation der Großfamilien, Stellung der Frauen, Einfluss der Taliban (eine islamistische Terrorgruppe).

Es gibt 49 Sprachen und 200 Dialekte, offizielle Amtssprachen sind Paschtu und Dari. Zur Religion ist zu sagen: 99 % sind Moslems, 80 % Sunniten und 20 % Schiiten. Der Unterschied besteht seit dem 7. Jahrhundert über die Nachfolge des Propheten Mohammed (Schiiten beziehen sich auf den Neffen des Propheten, Heiligenverehrung/Märtyrerkult) Beide haben kämpfende Truppen. Sunniten ( AI Kaida/ Taliban/ ISS) Ziel ist die Errichtung eines Gottesstaates. Schiiten (Hisbollah im Libanon/ Mahdi Armee im Irak)                                                                                                                   

Anschläge auf die Zivilbevölkerung finden statt (z.B. schiitische Moscheen in Kabul und 800 tote Soldaten und Polizisten), Flüchtlinge im Iran und in Pakistan. Die medizinische Versorgung ist katastrophal - zur Behandlung geht man nach Pakistan oder Indien. Es herrscht hohe Müttersterblichkeit, 25 % der Kinder sterben vor dem 5. Lebensjahr. Lebenserwartung 62,3 Jahre. Straßen sind nur als Hauptverkehrsstraßen vorhanden (Ring Road), Eisenbahnstrecken gibt es nur für den Güterverkehr.

Es bestehen Ansätze für Straßennamen, kein Einwohnermeldeamt, kein Finanzamt, keine Müllabfuhr, keine Busse (Taxi oder private Fahrzeuge), keine Arbeitsplätze für junge qualifizierte Afghanen, Positionen werden durch Korruption erkauft. Es gibt kaum Industrie, Landwirtschaft nicht überall möglich (Berge/ kein Wasser) im Norden Wüstenklima (kein Regen von März bis Dezember, Temperaturen bis 45°). Allerdings ist Afghanistan aber ein Land mit vielen Bodenschätzen: Kohle, Kupfer, Eisen, Lithium, Uran, Seltene Erden, Gold, Zink, Schwefel, Blei, Marmor, Erdgas und Öl, Schmucksteine ( Lapislazuli) 80 % Landbevölkerung,     20 % Städter, sehr schnell wachsend. Es wird jung geheiratet, viele Kinder (5,3 v Deutschland l,3) 60 % Analphabeten, 70 % der Mädchen gehen nicht zur Schule.

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 erreichte die politische, wirtschaftliche und soziale Lage in Afghanistan einen Tiefpunkt. Nach über zwanzig Jahren Krieg und Bürgerkrieg waren alle staatlichen Strukturen nahezu vollständig zerstört. Dies galt auch für die Polizei, deren Personal zu jenem Zeitpunkt viel zu gering und weitestgehend ohne jede Ausbildung war. Diese Lücke schlossen in vielen Landesteilen lokale Machthaber, die mit der Aufstellung eigener Milizen ihren angestammten Machtbereich sicherten.

Daher war die dringlichste Aufgabe zu Beginn, eine ausreichende Anzahl von Polizeistellen zu schaffen und diese Polizisten auch auszubilden. Gleichzeitig mussten die notwendigen Institutionen wieder aufgebaut und professionalisiert werden. Vor diesem Hintergrund begann das internationale Engagement zum Wiederaufbau der Polizei bereits Anfang 2002. Zunächst übernahm Deutschland auf Bitten der Vereinten Nationen und der afghanischen Übergangsregierung hierbei die Führungsverantwortung und gründete eine bilaterale Polizeimission. Diese wurde im Laufe der Zeit ergänzt durch weitere bilaterale und multilaterale Engagements. Heute sind die wichtigsten Akteure im Polizeiaufbau das bilaterale deutsche Projekt GPPT (German Police Project Team, seit 2002), die europäische Polizeimission EUPOL Afghanistan (seit 2007) und die NATO Trainingsmission (NTM-A, seit 2009). Mit privaten Fotos schilderte Frau Leyens Einblicke in das Camp, ihre Unterbringung, ihren Schutzapparat und ihre Aufgabenfelder. Auch zeigte sie eine Burka, einen Knüpfteppich, der das zersplitterte Land zeigte und ließ Vorstandsmitglieder der Senioren Union in eine Burka schlüpfen. Sehr gerne beantwortete sie die vielfältigen Fragen.

Zur Frage nach der Situation der Frauen führte Frau Leyens folgendes aus: „Frauen werden in der afghanischen Polizei dringend gebraucht. Im afghanischenKulturraum ist es für Polizisten undenkbar, Bürgerinnen zu durchsuchen oder bei einer Hausdurchsuchung in die Frauengemächer einzudringen.Auch deshalb ist es das erklärte Ziel der afghanischen Regierung sowie der internationalen Gemeinschaft, die Zahl der Polizistinnen zu erhöhen.

Auch an die Ausbildung der Polizistinnen werden vor dem kulturellen Hintergrund Afghanistans spezielle Anforderungen gestellt. Hierauf hat sich Deutschland in vielerlei Hinsicht eingerichtet: In speziellen Kursen für afghanische Polizistinnen bringen deutsche Polizeiausbilderinnen den Frauen unter anderem Eigensicherung, Eingriffstechniken und das Durchsuchen von Personen und Wohnungen bei. Darüber hinaus erhalten Polizistinnen während ihrer Ausbildung einen zusätzlichen einwöchigen Fortbildungskurs zur Unterrichtung in Genderfragen. Zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie wurde 2011 in der Polizeiakademie Kabul der Kindergarten „Sonnenschein“ eingerichtet. Auch an der Außenstelle in Masar-e Sharif wurden Räumlichkeiten zur Kinderbetreuung eingerichtet, um die Durchführung von Ausbildungskursen für Frauen zu ermöglichen“.

„Ihr Vortrag hat uns viele bisher unbekannte Gegebenheiten und Sichtweisen eröffnet“, sagte der Vorsitzende Dr. Herbert Stelling in seinen Dankesworten. Sie haben als gebürtiges Grevenbrücker Mädchen (geborene Strautz) ausdrücklich auf ein Honorar verzichtet, wohl aber, wenn möglich, um eine Spende für ein Projekt traumageschädigter Kinder gebeten“. Er freue sich, sagte Stelling, dass er ihr ein schönes Sümmchen einer Saalsammlung überreichen könne.

F. W. Gniffke



Die Burka wird ausprobiert